Quellen im Staatsarchiv Hamburg:
Allgemeine Armenanstalt
Die sichtbaren Auswirkungen der allgemeinen Armut großer Teile der Bevölkerung führten auch in Hamburg zu vielen Problemen, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu grundlegenden Reformen im Armenwesen und 1788 zur Gründung der Allgemeinen Armenanstalt führten.
Wurden die Armen bis dahin im wesentlichen aus vielerlei milden und wohltätigen Stiftungen und den Einnahmen der Gotteskästen der Kirchen unterstützt, so kam nun eine öffentliche Sozialfürsorge dazu. Dieses "Hamburger Modell" galt in der Zeit als sehr erfolgreich und wurde auch von anderen Städten übernommen. Wer arbeiten konnte, erhielt keine Unterstützung, und wurden Leistungen gewährt, so sollten diese auch nur so lange erfolgen, wie sie tatsächlich benötigt wurden.
Die Stadt wurde in Quartiere aufgeteilt, in denen sich Armenpfleger um die Aufnahme der Unterstützungsanträge der Armen kümmerten und Empfehlungen dazu aussprachen, die Entscheidung über Art und Umfang der gewährten Leistungen lag bei den Armenkollegien.
In den Aufnahmebüchern für Kinder findet man überwiegend die Bitten um freie Schule, also die Aufnahme in die Armenschulen, die auch den Ärmsten den Zugang zu einer allerdings sehr geringen Bildung ermöglichten.
"freie Schule" für die Kinder von Heinrich Friederich Lose
[Signatur Staatsarchiv Hamburg: 351-2 I 68 Band 11]
Auch mein Urururgroßvater Heinrich Friederich Lose beantragt 1842 die Aufnahme in die Armenschule für 2 Töchter, die vom Armenkollegium auch gewährt wird. Im Aufnahmebuch werden die Familienmitglieder und ihr Alter notiert.
Der Armenpfleger mußte auch die Adresse, den Gesundheitszustand und den Beruf aufführen. Die Familie wohnte Langemühren Hof 69, die Gesundheit war gut und Heinrich Friederich Lose verdiente mit dem Handel mit altem Papier sein Geld.
Die Einträge in den Aufnahmebüchern für die Erwachsenen lassen das Elend erahnen, in denen viele Familien lebten. Um Hilfen zu bekommen, mußte man als Armer bei der Armenanstalt eingeschrieben sein, dazu wurde man von den Armenpflegern befragt und mußte Angaben zu den im Haushalt lebenden Familienmitgliedern, Verdienst, Gesundheitszustand, Höhe der Miete, Gaben aus milden Stiftungen usw. machen. Die Bewilligungen des Armencollegiums blieben dann oft unter den Empfehlungen der Armenpfleger, so wurden z.B. die geldlichen Unterstützungen gerne gekürzt und dafür Suppenzeichen für die Armenküchen ausgegeben. Diese verteilten die Rumfordsche Suppe, deren Rezept für 100 Portionen auf 150 Pfund Wasser 3 Pfund Fleisch enthielt, den Magen füllen mußten die darin gekochten je 10 Pfund Graupen und Erbsen und 23 Pfund Kartoffeln.
Neben der Unterstützung zum allgemeinen Lebensunterhalt leistete die Armenanstalt auch Hilfe im medizinischen Bereich, hier finden sich Anträge auf freie Geburt und Medikamente bei Krankheit. Beispielsweise wurde bewilligt eine Brille gratis, 12 Dutzend Schwefelbäder gegen Flechten gratis oder Fußbandagen zum geringen Preis.