Quellen im Staatsarchiv Hamburg:
Waisenhaus
Ein Waisenhaus existierte in Hamburg schon seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert, seit 1785 lebten die Kinder in dem extra erbauten Gebäude in der Admiralitätsstraße. Beim großen Brand 1842 blieb es verschont, doch wurde das Gebäude als Ersatz für das zerstörte Rathaus benötigt und die Kinder zogen nach einer Übergangszeit, in der sie provisorisch in einem Wirtschaftsgebäude des St. Johannis-Klosters in Harvestehude untergebracht waren, am 18. Oktober 1858 in den stattlichen Neubau an der Averhoffstraße auf der Uhlenhorst.
Aufnahme ins Waisenhaus
[Signatur Staatsarchiv Hamburg 354-1 IV C II 1 u]
Hierher kamen nun auch die verwaisten Lose-Kinder, Charlotte Marie Adele, 7 ¾ Jahr alt, Ferdinand Adolph Georg William, 5 ½ und die jüngste Minna Margaretha Maria, knapp 4 Jahre alt. Für den Ältesten Carl Eduard Friedrich übernahm der Großvater die Vormundschaft, da das Waisenhaus nur eheliche Kinder im Alter von 4 - 10 Jahren aufnahm, jüngere bzw. ältere wurden als Kostkinder in Pflegefamilien untergebracht.
Die Behausungen der einfachen Leute in Buden, Sählen und Kellern waren klein und eng, muffig und oft feucht, und auf den wenigen Quadratmetern lebten vielköpfige Familien. Die Ausstattung war ärmlich, in einer Bettstatt, so sie denn vorhanden war, mußten meist mehrere Familienmitglieder schlafen, für die Kleinen wurden abends 2 Stühle zusammengestellt und an die Wand geschoben und dienten so als Kinderbett. Das Einkommen reichte oft nicht für die Anschaffung von Bekleidung zum Wechseln und ausreichende Ernährung. So mußten auch die Kinder zum Familienerwerb beitragen, z.B. bei der in Heimarbeit vergebenen Zigarrenmacherei, der Schulbesuch blieb dabei auf der Strecke.
Wenn das Leben im Waisenhaus sich aus heutiger Sicht stets einfach und bescheiden, oft sogar ärmlich und dürftig darstellt, so erscheint mir verglichen mit den geschilderten Lebensumständen die Aufnahme in das Waisenhaus geradezu als Glücksfall für die Kinder. Alle Kinder erhielten die Waisenhauskleidung, ausreichend zu essen, schliefen in sauberen Betten, wurden medizinisch versorgt und gingen in die dem Waisenhaus angeschlossene Schule. An einigen Tagen im Jahr wurden sogar Feste gefeiert, die aus besonderen Zuwendungen finanziert wurden und das jährlich veranstaltete "Waisengrün", bei dem auf einem festlich geschmückten Umzug durch die Stadt Spenden gesammelt wurden, erfreute sich bei den Hamburgern großer Beliebtheit.
Auch im Waisenhaus mußten die Kinder Arbeiten verrichten, dies wurde als Vorbereitung auf das Erwerbsleben angesehen. Spätestens nach der Konfirmation verließen die Kinder das Waisenhaus, wurden dazu in Stellungen oder Lehren vermittelt. Gegenüber dem Aufnahmevermerk stehen die Entlassungen aus dem Waisenhaus, die beiden Lose-Mädchen sind in Dienst gegangen und Ferdinand wurde in eine Buchbinderlehre gegeben.
Die Waisenhausakte enthält die Aufnahmeprotokolle, Untersuchungsbögen, Zeugnisse und belegt, das das Waisenhaus auch weiterhin für seine ehemaligen Insassen sorgte. In Not gekommen, beantragte Ferdinand später ein Darlehen zum Kauf von Buchbindegeräten, dies wurde ihm zwar nicht gewährt, doch vermittelte man ihm eine Arbeitsstelle. Andererseits beanspruchte das Waisenhaus auch eventuelle Nachlässe, so z.B. den ausstehenden Verdienst der 1882 in England gestorbenen Minnie Lose, wie ein in der Akte bewahrter Schriftwechsel zwischen dem hamburgischen Konsul in London und dem Senator für auswärtige Angelegenheiten Kirchenpaur ausführt. [Signatur Staatsarchiv Hamburg 354-1
Über die Kostkinder sind ebenfalls Unterlagen im Bestand des Waisenhauses enthalten, hier zu dem Bruder meines Urgroßvaters. Zur Begründung seiner Aufnahme 1856 wird angeführt, er leide unter Drüsen und die Mutter sei schwächlich und nicht im Stande, ihre 2 Kinder zu versorgen. Mehrfach wird die Maßnahme verlängert, bis das Kind 1860 zur Mutter zurück gegeben wird.